Der landwirtschaftliche Maschinenhandel Ehrenleitner Endorf 

 

Wir schreiben das Jahr 1919, das Jahr eins nach dem I. Weltkrieg, dem bis dahin verlustreichsten Konflikt der Menschheit. Es war in diesem ersten Nachkriegsjahr, als besagter landwirtschaftlicher Maschinenhandel von Franz Ehrenleitner ins Leben gerufen wurde, jenem Franz Ehrenleitner der dann 31 Jahre die Geschicke des Betriebes leiten sollte.  

 

In den ersten 40 Unternehmensjahren bis 1959 befand sich die Betriebsstätte in der Bahnhofstraße in Endorf, erst danach siedelte der Betrieb in einen funktionalen Neubau in die Katharinenheimstraße 24 um (auf dem Gelände befindet sich heute der Markt eines Lebensmitteleinzelhändlers und ein großer Kundenparkplatz), aber dazu später mehr in dieser Geschichte.

 

Der historische Rückblick beginnt mit dem Unternehmer Franz der mit der Gründung eines eigenen Unternehmens den Härten seiner Zeit die Stirn geboten hat. Franz stammte gebürtig aus Marwang, einem Ortsteil der Gemeinde Grabenstätt im oberbayerischen Landkreis Traunstein. Die Familie betrieb dort am Ort eine Hammerschmiede. Franz selbst diente als Soldat im I. Weltkrieg und ehelichte im Jahr der Unternehmungsgründung seine Frau Anna, eine geborene Kirner. Das Paar hatte eine gemeinsame Tochter die früh, in ihrem 19. Lebensjahr, an einer schweren Krankheit verstarb. Den Eheleuten Ehrenleitner war danach kein weiteres Kinderglück mehr vergönnt und es schien als ob innerhalb der eigenen Familie keine Betriebsnachfolge möglich sein sollte. Viele Jahre war es auch um die Gesundheit von Franz nicht zum Besten bestellt und die entbehrungsreichen Kriegsjahre des folgenden II. Weltkriegs taten ihr Übriges dazu. Am 7. November 1950 hatte Franz seine Lebenskraft aufgebraucht und erlag seinem schweren Herzleiden. Er wurde im Familiengrab der Familie Ehrenleitner in Bad Endorf beigesetzt.

 

Seine Frau Anna, Jahrgang 1893, musste nun im Betrieb das Zepter in die Hand nehmen und sie holte ihren Neffen Otto Ehrenleitner nach Endorf, den sie im Jahr 1951 kurzerhand adoptieren sollte. Es war jener Otto Ehrenleitner der acht Jahre später, im Jahr 1959, die begehrte Vertriebslizenz für Diesel Traktoren der Marke Porsche erwerben sollte. Diese Lizenz berechtigte ihn einen Handel und eine Werkstatt unter der Marke Porsche zu führen.

 

Auch Otto, so wie sein Onkel Franz, war kein gebürtiger Endorfer. Geboren wurde er im Jahr 1919 in Nürnberg. In den Kriegsjahren des II. Weltkrieges versah Otto als Gebirgsjäger in den unterschiedlichsten Regionen seinen Kriegsdienst. Er wurde zu Einsätzen auf den Balkan, nach Kreta, Frankreich, ja bis nach Russland - Leningrad (dem heutigen Sankt Petersburg) abkommandiert und überlebt, wie durch ein Wunder, die harten Kriegsjahre ohne eine nennenswerte Verletzung. Nach seiner Rückkehr aus dem II. Weltkrieg heiratete er im Jahr 1947 seine Frau Karin, eine geborene Kurz. Sie war Jahrgang 1920 und stammte aus Trostberg. Zuerst hatten die Eheleute ein Kind, ihre im Jahr 1947 geborene Tochter Carin. Auf Empfehlungen von Freunden hatte Otto, gleich nach seiner Rückkehr aus dem Krieg, in Altenmarkt an der Alz ein Taxiunternehmen gegründet und insbesondere die in Traunreut stationierten Soldaten der amerikanischen Streitkräfte nahmen seine Taxidienste häufig und gerne in Anspruch. Die Anwesenheit der Amerikaner begründete sich vor allem auf die Heeresmunitionsanstalt (kurz Muna genannt), welche seit dem Jahr 1938 in St. Georgen bei Traunreut betrieben wurde. In den Kriegsjahren waren hier zeitweise bis zu 2.000 Arbeiter damit beschäftigt Gasmunition herzustellen. Im Jahr 1945 nahmen die Amerikaner die Muna ein und demontierten die Fabrik vollständig. Für Otto waren die amerikanischen Streitkräfte der Garant gut laufender Geschäfte, welche die noch junge Familie Ehrenleitner aufs Beste ernährten.

 

Aber kaum vier Jahre nach der Gründung seines eigenen Taxiunternehmens kam der Ruf seiner Tante Anna und 1951 übersiedelte die Familie Otto Ehrenleitner nach Endorf. Dort übernahm Otto den landwirtschaftlichen Maschinenhandel seines Onkels Franz. Seine Tante Anna betrieb weiterhin das Eisen- und Haushaltswarengeschäft und erfreute sich an einem langen Leben. Erst 1981, in ihrem 88. Lebensjahr, folgte sie ihrem Franz.

 

Ottos Qualifikation war eine bestandene Prüfung zum Kfz-Meister, welche er in Heide bei Flensburg absolviert hatte. Im Jahr 1952 kam das zweite Kind auf die Welt, ein Sohn, der nach seinem Onkel auf den Namen Franz getauft wurde. Die Betriebsübernahme von Otto und die folgenden Jahre waren von der umfassenden Mechanisierung der deutschen Landwirtschaft gekennzeichnet. Bis spät in die 50 er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden die wesentlichen Zugarbeiten auf den landwirtschaftlichen Familienbetrieben noch von Rössern und Ochsen geleistet. Die Zeiten waren damals Lichtjahre von den Annehmlichkeiten einer vollautomatisierten Schlepperkabine der Neuzeit entfernt. Zuerst ging es einzig und alleine darum die lebenden Zugkräfte durch dieselbetriebene Fahrzeuge zu ersetzen um die damit verbundene körperliche Arbeitsbelastung der Landwirte zu reduzieren. Es war aber nicht unbedingt einfach eine der begehrten Vertriebslizenzen für Traktoren zu ergattern und der Wunsch eine solche Lizenz zu erlangen zwang Otto Ehrenleitner zur Investition in eine neue Betriebsstätte. Der Neubau in der Katharinenheimstraße 24 sollte ihm so gut gelingen, dass Porsche ihn als Porsche Diesel Musterbetrieb auszeichnete. Im Jahr 1959 stand damit dem Beginn des Porsche Diesel Traktorenhandels nichts mehr im Wege. Aber wer hätte damals je gedacht, dass diese mit so viel Unternehmerstolz begonnene Zeit nur vier Jahre währen sollte. Der Betrieb Otto Ehrenleitners, seine Ausstattung, das Betriebsimage, ja sein gesamtes Personal, alles war einzig und allein auf Porsche Diesel ausgerichtet und als 1963 in Friedrichshafen am Bodensee die Entscheidung fiel die gesamte Porsche Diesel Produktion, nach 120.000 produzierten Traktoren, von heute auf morgen an Renault zu verkaufen, brach, nicht nur in Endorf, die Welt der Porsche Diesel Händler wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es dürfte für keinen der Porsche Händler ein leichtes Unterfangen gewesen sein sich als Ersatz und quasi über Nacht die Vertriebslizenz einer anderen Marke zu ergattern. Otto Ehrenleitner fand einen Zugang zu den Ford Werken und für einen kurzen Zeitraum sollte er die Fahrzeuge der Kölner Traktorenmarke in seinem Vertriebsgebiet verkaufen.

 

Otto und sein Betrieb konnten sich jedoch nie mehr richtig von dieser mehr als überraschenden Schließung des Porschetraktorenwerkes erholen. Er hielt noch bis ins Jahr 1965 durch und dann gelang ihm der Verkauf seiner Betriebsstätte, dem ehemaligen Porsche Musterbetrieb, an die Münchner Genossenschaft BayWa und ein neuer Lebensabschnitt sollte beginnen. Im Jahr 1965 wanderte Otto nach Australien aus. Seine Frau Karin verblieb zunächst noch zur Regelung diverser Geschäfte in Endorf, bevor sie im Herbst desselben Jahres ihrem Mann nach „Down-under“ folgte. Zwei von Ottos Schwestern lebten bereits in Australien und hier stand sein neuer Lebensabschnitt unter einem guten Stern. Otto blieb auf dem 5. Kontinent seinen Geschäftsfeldern treu, betrieb in Australien eine eigene Tankstelle und hatte die Markenvertretungen von VW und Bosch. Otto sollte sein restliches Berufsleben in Australien verbringen, bevor er 1986 mit seiner Frau und als Rentner nach Rosenheim zurückkehrte. Die Eheleute lebten bis zu ihrem Tod in Rosenheim. Otto verstarb im Jahr 1994, seine Frau Karin folgte im 3 Jahre später.

 

Die Lebenswege der beiden Kinder der Eheleute Ehrenleitner konnten unterschiedlicher nicht sein. Ihre Tochter Carin ging von 1965 bis 1969 mit nach „Down under“, kehrte danach aber wieder nach Oberbayern zurück und verbrachte die ersten Jahre ihrer Rückkehr in Bad Reichenhall. Carin hat zwei Söhne großgezogen und lebt heute in Riedering, ganz in der Nähe zum schönen Simssee. Ihr fünf Jahre jüngerer Bruder Franz hingegen sollte die Neue Heimat nie mehr wieder verlassen. Er war als Verkaufsleiter mit dem Import deutscher Getränke betraut und verstarb 2016, nach 64 Lebensjahren, in Melbourne. Er hinterließ zwei Kinder und seine Frau lebt und arbeitet noch heute in Australien.

 

Im Jahr 2019, genau 100 Jahre nach der Firmengründung des Maschinenhandels Ehrenleitner, wollen wir mit diesem Endorfer Familien- und Firmenporträt ein Stück der neueren Dorfgeschichte einem breiteren Publikum zugänglich machen. Des Weiteren haben wir auf dieser Homepage umfangreiches Bild- und Textmaterial eingestellt und würden uns über weitere Beiträge, Anekdoten und Geschichten zu diesem Thema sehr freuen.

 

Wir bedanken uns an dieser Stelle sehr herzlich bei Carin Ehrenleitner, die bereit war uns die Geschichte ihrer Familie offen zu legen, damit wir Hemhofer, Endorfer und Oldtimerfreunde daran teilhaben können.

 

V. i. S. d. P., im Mai 2019, Jan R. Hartmann, Hemhof